Geschäftszahl
7Ob62/03y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Walter Anzböck, Rechtsanwalt, ***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen von Mario T*****, gegen die beklagte Partei D*****-AG, ***** vertreten durch Dr. Wolfram Themmer ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 14.534,57), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14. November 2002, GZ 12 R 186/02i-13, womit das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 30. April 2002, GZ 2 Cg 195/01i-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 875,34 (darin enthalten EUR 145,89 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mario T***** schloss am 21. 9. 1997 mit der Beklagten einen Firmenrechtsschutzversicherungsvertrag inklusive allgemeinen Vertragsrechtsschutz für den Betrieb bis zur Anspruchsobergrenze von S 200.000 ab. Diesem wurden die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1994) zugrunde gelegt.
Die ARB 1994 lauten auszugsweise: "Art 2 Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?
3. In den übrigen Fällen gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben.
Art 23 Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz ...
2. Was ist versichert? ...
2.3. Im Betriebsbereich besteht Versicherungsschutz nur unter folgenden Voraussetzungen:
2.3.1. sofern und solange die tatsächlichen oder behaupteten Forderungen und Gegenforderungen der Vertragsparteien (Gesamtansprüche) auf Grund desselben Versicherungsfalles im Sinne des Art 2.3. die vertraglich vereinbarte Obergrenze unabhängig von Umfang, Form und Zeitpunkt der Geltendmachung nicht übersteigen." Über das Vermögen von Mario T***** wurde der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Der Kläger brachte am 29. 10. 2001 zu 4 Cg 228/01g des Landesgerichtes St. Pölten gegen die R***** OEG (in der Folge OEG) sowie deren persönlich haftenden Gesellschafter eine Klage auf Zahlung von S 563.889,20 sA ein. Die Forderung werde auf die aus den Aufzeichnungen des Gemeinschuldners abgeleiteten Berechnungen, im Einzelnen angeführten Bringungsleistungen abzüglich Barzahlungen und Gutschriften gestützt. Nach den Angaben des Gemeinschuldners legte ihm vor Beginn der Zusammenarbeit die OEG bzw deren Rechtsvorgängerin einen Rahmenvertrag vor, den der Gemeinschuldner aber nicht unterfertigte. Vor jedem Auftrag wurden zu den einzelnen Leistungen die Quadratmeterpreise netto vereinbart (zwischen S 90 und S 110). Die OEG sollte dem Gemeinschuldner vereinbarungsgemäß nach jeder Lieferung eine Ausfertigung der ihr vom Sägewerk übermittelten Gutschrift zusenden, weil erst das Sägewerk bzw die Papierfabrik, an welche das Holz zu liefern sei, Volumen und Qualität bestimmen könnte. Da der Gemeinschuldner nur eine Barzahlung und nur für einen Teil der von ihm geleisteten Rückarbeiten Gutschriften erhalten hat, erstellte er anhand der in seinen Händen befindlichen Unterlagen gemeinsam mit dem Masseverwalter eine Rechnung, derzufolge S 563.889,20 unberichtigt aushaften. Der Kläger begehrt nun auf Grund des genannten Vertrages Rechtsschutzdeckung für die gerichtliche Durchsetzung der Werklohnforderungen zu 4 Cg 228/01g des Landesgerichtes St. Pölten. Es handle sich um nacheinander erteilte Einzelaufträge, sodass zur Beurteilung der Überschreitung der Anspruchsobergrenze die einzelnen Rechnungsbeträge maßgeblich seien, nicht jedoch deren Summe. Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung mit der Begründung, dass zwischen der OEG und dem Gemeinschuldner ein Kontokorrentverhältnis bestanden habe, auf welches laufend Zahlungen geleistet worden seien. In der Unterlassung der Aufmasslistenerstellung zu sämtlichen Lieferungen liege ein einheitlicher Verstoß der OEG, sodass ein einheitlicher Versicherungsfall vorliege. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es liege ein einheitlicher Versicherungsfall vor, da die OEG die Rechnung des Klägers nicht bezahlt habe. Es sei zwar auch vorgebracht worden, dass die OEG entgegen der Vereinbarung es unterlassen habe, die tatsächlichen Aufmasse bekanntzugeben, dies habe aber den Gemeinschuldner nicht daran gehindert, die Abrechnung vorzunehmen. Der behauptete Verstoß sei sohin nicht schadenskausal gewesen. Ob die einzelnen Beträge der gelegten Rechnung auf einem einheitlichen Auftrag oder auf eine Mehrzahl unabhängiger Aufträge beruhe, sei belanglos. Da die vereinbarte Streitwertgrenze von S 200.000 überschritten worden sei, komme der sekundäre Risikoausschluss des Art 23.2.3.1. ARB 1994 zum Tragen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verwies darauf, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen wie Verträge nach §§ 914 f ABGB am Maßstab eines verständigen, durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen seien. Dem sekundären Risikoausschluss nach Art 23.2.3.1. ARB 1994 sei klar zu entnehmen, dass im Falle des Übersteigens der vereinbarten Streitwertgrenze überhaupt kein Versicherungsschutz bestehe. Die Risikobegrenzung orientiere sich an der Höhe aller Forderungen und Gegenforderungen auf Grund desselben (einheitlichen) Versicherungsfalles im Sinne eines einheitlichen Gefahrverwirklichungsvorganges. Es komme nach der Definition des Versicherungsfalles nicht darauf an, welche Ansprüche tatsächlich geltend gemacht werden oder bestehen, sondern auf den tatsächlichen oder behaupteten Verstoß des Versicherungsnehmers oder seines Gegners. Eine Zusammenrechnung der Forderungen der Vertragsparteien sei dann vorzunehmen, wenn sie adäquat kausal aus dem zur Bestimmung des Versicherungsfalles maßgebenden Verstoß (bzw den Verstößen) resultierten und der den wechselseitigen Forderungen zu Grunde liegende Anspruchsgrund strittig sei. Zur Beurteilung seien allein versicherungsrechtliche Bestimmungen zu berücksichtigen, es könne nicht auf Bestimmungen der JN, ZPO oder sonstiger gesetzlicher oder standesrechtlicher Grundsätze zurückgegriffen werden. Unabhängig davon, ob als Versicherungsfall die Ablehnung der Zahlung nach Rechnungslegung vom 15. 1. 2001 oder aber das Unterbleiben der Bekanntgabe der tatsächlichen Aufmasse und der Übermittlung sonstiger für die Rechnungslegung erforderlichen Unterlagen durch den Gegner des Versicherungsnehmers ansehe, liege ungeachtet der allenfalls zugrunde liegenden Einzelaufträge ein einheitlicher Verstoß des Gegners des Versicherungsnehmers vor, sodass die Beklagte wegen Überschreitung der Betragsgrenze für die Gewährung von Rechtsschutz zu Recht die Deckung verweigere. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar EUR 4.000, nicht jedoch EUR 20.000 übersteige und die ordentliche Revision deshalb zulässig sei, weil zur Frage der Zusammenrechnung bei Beurteilung der Risikoobergrenze keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.