Geschäftszahl
7Ob148/03w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Helmut Denk, Rechtsanwalt in Wien, und der auf Seiten der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenientin Österreichische Bundesbahnen, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, vertreten durch Dr. Thomas Mader, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 40.585,74 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 10. Februar 2003, GZ 16 R 243/02a-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Mai 2002, GZ 16 Cg 114/01d-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung und Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Am 5. 7. 2000 wurde ein Zug der Österreichischen Bundesbahnen im Rahmen der sog "Rollenden Landstraße" mit insgesamt 15 Waggons vom Bahnhof Villach-Süd zum Bestimmungsort Wels abgefertigt. Absender des Zuges war die Ö***** GmbH (im Folgenden kurz: Firma Ö*****), deren
Haftpflichtversicherer die klagende Partei ist. Am 11. Waggon befand sich ein polnischer LKW samt Zugmaschine, der bei ausgeschaltetem Motor verblockt war. Er war mit 321 Waschmaschinen beladen. Bei der Durchfahrt des Zuges im Bahnhof Fürnitz fielen zahlreiche Waschmaschinen - ausgelöst durch die typischerweise bei einem Eisenbahntransport entstehenden Rüttel- und Stoßbewegungen sowie Fliehkräfte - auf den Gleisbereich und den Bahnsteig, wodurch
umfangreiche Schäden an Einrichtungen der ÖBB entstanden, welche dieser von der klagenden Partei ersetzt und nunmehr im Betrage von S 558.471,90 (= EUR 40.585,74) samt 4 % Zinsen seit Klagstag im Regresswege - gestützt auf § 67 VersVG - vom beklagten Versicherungsverband zurückverlangt werden. Das Verschulden an den eingetretenen Beschädigungen liege beim Lenker bzw Halter des polnischen LKWs, welche die von ihnen transportierte Ladung nicht entsprechend abgesichert hätten. Für den polnischen Haftpflichtversicherer habe die beklagte Partei einzustehen.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Insbesondere wurde die Passivlegitimation mit dem Argument bestritten, dass sich der vorliegende Schadensfall nicht unter das KHVG subsumieren lasse, sondern ursächlich mit der Beladung am Zug in Zusammenhang stehe und der spätere Unfall auf einen Fehler des Waggons bzw des Gleiskörpers zurückzuführen sei. Das Alleinverschulden bzw zumindest überwiegende Mitverschulden treffe die Erfüllungsgehilfen der Firma Ö***** im Zusammenhang mit der Verladung und Führung des Zuges. Da der LKW samt Ladung selbst nur als Fracht bzw Ladung zu beurteilen sei, scheide auch eine Anwendung des EKGH aus. Die klagende Partei verkündete in der Folge sowohl den Österreichischen Bundesbahnen als auch dem Halter des polnischen LKWs den Streit. Lediglich Erstere ist dem Verfahren als Nebenintervenientin beigetreten, welche ihrerseits einwendete, der Zug habe keine technischen Mängel aufgewiesen, die vorgeschriebene Geschwindigkeit eingehalten und habe bei der Beladung des Zuges die sichere Beladung des LKWs ua auch deswegen nicht näher überprüft werden können, weil es sich um einen solchen unter Zollverschluss gehandelt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass die Nebenintervenientin als Erfüllungsgehilfe der Ö***** einen LKW-Zug samt Ladung zur Beförderung übernommen habe, der nicht geeignet gewesen sei, gefahrlos auf Eisenbahnwagen transportiert zu werden. Allerdings handle es sich um keinen in einem adäquaten Ursachenzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz stehenden Unfall, sondern um den Transport von offenbar nicht für den Eisenbahngüterverkehr geeigneten Gegenständen. Das KHVG 1994 sei nicht anwendbar, weshalb es der beklagten Partei an der Passivlegitimation mangle. Von einer Verwendung des Kraftfahrzeuges auf einer Straße könne keine Rede sein; ein innerer Zusammenhang mit den eigentümlichen Betriebsgefahren eines Fahrzeuges liege nicht vor. Vielmehr stelle sich der vorliegende Fall nicht anders dar, als wenn fabriksneue Fahrzeuge, Autowracks oder Maschinenteile bzw auch Container mit einer Ladung zum Transport übernommen werden und sich dann im Zuge der Eisenbahnfahrt herausstelle, dass die Transportbehälter keinen ausreichenden Schutz gegen das Herausfallen infolge der dem Eisenbahnbetrieb eigentümlichen Erschütterungen böten. Das Berufungsgericht gab der von der klagenden Partei erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof (da dieser "keinen einzigen vergleichbaren Fall zur Abgrenzung des Begriffs Verwendung des Kfz im Sinne des § 2 KHVG entschieden" habe) zulässig sei. Zwar sei der Begriff des "Verwendens" eines Fahrzeuges im Sinne des § 2 leg cit weiter als der Begriff "beim Betrieb" im Sinne des § 1 EKHG und auch die Verwendung des versicherten Fahrzeuges als ortsgebundene Kraftquelle zB zum Entladen anderer Fahrzeuge umfasst; die Verwendung nach § 2 KHVG müsse aber doch in einer "kfz-typischen Form erfolgen und sich nicht auf die Funktion eines Transportbehälters reduzieren", dessen Risiken regelmäßig Gegenstand einer Transportversicherung (und nicht, wie hier, der Haftpflichtversicherung) seien. Weil die Verwendung des Kfz im Sinne des § 2 KHVG nicht auch Schäden erfasse, die beim Transport des LKW-Zuges mit der Bahn durch mangelhafte Sicherung der Ladung des LKWs entstünden, sei es irrelevant, ob den Lenker des polnischen LKWs im Hinblick auf die Zollplombierung ein Verschulden an der mangelnden Sicherung der Ladung im Rahmen eines solchen (Transport- )Versicherungsverhältnisses treffe und bedürfe es somit auch keiner präzisen Feststellungen über die einzelnen Ursachen des Unfalles.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, in Stattgebung des Rechtsmittels die bekämpfte Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher der Antrag gestellt wird, dem Rechtsmittel der Gegnerin keine Folge zu geben. Die Nebenintervenientin hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.